Ist Glück käuflich? – Glücksversprechen in der Werbung
„Schrei vor Glück“ (Zalando), „Kauf Dich glücklich“ (Media Markt) oder „Kleine Preise machen glücklich“ (Plus). Das Phänomen Glück hat Hochkonjunktur in der Werbebranche.
Denn die Werbung verkauft nicht nur Produkte, sie verkauft ein Lebensgefühl. Und dazu muss sie unsere innersten Wünsche ansprechen: unser Bedürfnis nach Liebe, nach Gesundheit, nach Anerkennung und Glück.
Glücklicher durch die richtigen Turnschuhe
Werbung ist überall und allgegenwärtig. Sie begegnet uns auf Plakaten an Hauswänden und in U-Bahnhöfen, im Radio, Fernsehen und Internet.
Ja selbst in Gaststätten und auf öffentlichen Toiletten kann man sich ihr nicht mehr entziehen.
Eigentlich soll Werbung Informationen verbreiten. Doch tut sie längst nicht mehr nur das.
Nein. Sie verspricht viel mehr.
Man kauft nicht länger nur einen Joghurt, sondern eine Oase der Wellness und der Gesundheit.
Werbeexperten nutzen unser Verlangen danach glücklich zu sein, um ihren Umsatz zu steigern. Sie verkaufen Glücksversprechen!
Wenn du diese oder jene Turnschuhe trägst, gehörst du dazu. Du brauchst nur das neueste Modell zu kaufen und schon kannst du Teil der In-Group werden, die von allen bewundert und respektiert wird.
Du kaufst nicht länger nur einen Schuh, du kaufst ein Ticket in ein besseres Leben, indem du beliebt bist und geachtet wirst.
Du kaufst auch nicht länger nur ein gewöhnliches Auto, sondern ein Abenteuer, bei dem du selbst in deiner Kleinstadt jeden Tag aufs Neue die Freiheit der wilden Prärie spüren kannst.
Und wer kauft heutzutage schon noch eine Creme? Wir kaufen spezielle „youth code Elixiere“ mit „Seidenproteinen“ und „Diamantpartikeln“ die, aus „langjähriger DNA-Forschung“ hervorgegangen, ewige Schönheit und Jugend versprechen.
Zur perfekten Familie durch den richtigen Brotaufstrich
Dabei werden uns die Produkte in immer gleicher Weise dargeboten: Glückliche Familien sitzen am Küchentisch. Alle lachen, alle sind gut gelaunt, munter und fühlen sich wohl in ihrer Haut.
Es gibt keinen Streit, kein Gemecker, keine Probleme. Die Milch wird nie verschüttet und die übliche Diskussion darüber, wer den Tisch abräumt, wird ausgeblendet.
Werbung verspricht uns diese perfekte Szenerie. Sie lässt uns unwillkürlich wünschen, Teil dieser glücklichen Familie zu sein. Und sie vermittelt den Eindruck, dass wir durch den Kauf dieses Brotaufstrichs genau das erreichen können.
Doch das wirkliche Leben läuft anders ab.
Und es wäre fatal zu glauben, dass wir erst dann wirklich glücklich sein können, wenn wir das gleiche Auto fahren oder dasselbe Müsli essen.
Werbung spricht gezielt unsere Gefühle an. Weil wir uns so sehr danach sehnen, geliebt zu werden und dazu zu gehören, suggeriert sie uns, genau das zu erreichen, wenn wir nur die von ihr angepriesenen Produkte kaufen.
Werbung zeigt uns, was wir begehren sollen, wann wir glücklich zu sein haben und wann wir von anderen für glücklich gehalten werden.
Aber weder die Turnschuhe, noch das Auto, der Lippenstift oder die Geflügelwurst können uns wirklich glücklich machen. Auch wenn die anfängliche Freude groß sein mag.
Auf Dauer hat noch keines dieser Produkte erreicht, dass wir geliebt oder zufriedener werden. Insbesondere da man sich durch den Kauf der Produkte immer nur so lange wohl fühlen kann, bis wieder neuere und noch bessere Produkte erscheinen.
Wer weiterhin „dazugehören“ möchte, muss also alle paar Monate tief in die Tasche greifen. Das macht uns zwar kein Stück glücklicher, hält aber eine Milliardenindustrie am Laufen.
Werbung und Glück
Werbung handelt nicht länger nur mit Produkten. Sie handelt mit unseren tiefsten Sehnsüchten, mit unserem Verlangen nach Gesundheit, Liebe und Glück.
Sie vermittelt den Eindruck, dass wir mit den Kauf ihrer Produkte glücklicher werden und ein ebenso perfektes Leben führen können, wie die immer lächelnden, makellos aussehenden Personen in den Werbespots.
Dabei interessiert sie sich nur für eines: Profit!
Wer diesem Diktat nicht blindlings folgen will, muss Werbung bewusst wahrnehmen und kritisch hinterfragen.
Warum wollen wir dieses oder jenes Produkt wirklich haben? Brauchen wir es tatsächlich oder suchen wir dadurch etwas ganz anderes zu erreichen? Wenn ja, gibt es nicht auch direktere Wege um dorthin zu gelangen, als über den Kauf bestimmter Frühstücksflocken?
Und dann sollten wir vor allem eines nicht vergessen: die besten Dinge im Leben sind gratis! Zum Beispiel das hier:
Siehst du das genauso? Dann würde ich mich freuen, wenn du meinen Beitrag gleich jetzt mit deinen Freunden teilst.
in
Steven
Posted at 12:27h, 29 SeptemberJa, allzu fantastisch sind die Versprechungen der Werbung! Der richtige Bausparvertrag impliziert ein geborgenes Heim, eine glückliche Ehe und – mit dem richtigen Waschmittel – tolle, saubere Kinder.
Wieso erliegen wir den Verlockungen des maßlosen Massenkonsums? Welcher Art ist der Mangel, der gehoben werden soll? Eckhart Tolle spricht von einer Schmerzbetäubungsindustrie. Es ist ein geradezu süchtiges Konsumverhalten zu beobachten. Mit diesem Mittel kann ich bewirken, dass ich mich besser fühle (und meinem Elend entfliehen).
Und dann stellt sich das Gefühl ein, mehr und mehr zu konsumieren und doch mit einem unstillbaren Verlangen zurückzubleiben. Ich glaube, die meisten Menschen konsumieren viel und oft ohne sich zu fragen, was eigentlich fehlt.
Katharina Tempel
Posted at 11:03h, 30 SeptemberHallo Steven,
da hast du absolut recht. Ich denke, dass wir unsere Leben wahrscheinlich grundlegend umkrempeln würden, wenn wir uns nur häufiger unsere Motive bewusst machen würden. Mit mehr Achtsamkeit durchs Leben zu gehen ist eine der größten Lektionen die man lernen kann. Diesem Thema möchte ich demnächst auch einen eigenen Blogeintrag widmen 🙂
LG, Katharina
Benny Briesemeister
Posted at 08:58h, 03 OktoberHallo Steven und Kathi,
ich nehme hier mal die unbeliebte Gegenposition ein und behaupte, dass Werbung
1) gar nicht die Aufgabe hat, dauerhaft glücklich zu machen,
2) trotzdem zumindest kurzzeitig glücklich macht und
3) kurzzeitiges Glück durchaus käuflich ist.
Sicher, Werbung spielt mit Emotionen – nicht nur Glück – und versucht Produkte in möglichst positivem Licht darzustellen. Der entscheidende Punkt ist aber, dass Werbung gerade deshalb funktioniert. Wir sehen einen Werbespot und dieser löst in uns ein Gefühl (z.B. ein Glücksgefühl) aus, das mit dem beworbenen Produkt assoziiert wird. Bei mir persönlich ist es beispielsweise die 5Gum Werbung, die mich wirklich emotional erreicht. Und schon an dieser Stelle kann ich sagen: Ja, Werbung macht (kurzzeitig) glücklich (Punkt 2). Weil uns dieses kurze Glück aber nicht reicht, ziehen wir los und kaufen das beworbene Produkt (Punkt 1), in der Hoffnung das Glücksgefühl verstärken oder zumindest noch für einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten zu können. Und zumindest im Moment des Kaufes sind wir im besten Fall wieder glücklich, weil sich nämlich unsere Sehnsucht nach dem Produkt erfüllt hat (Punkt 3).
Nur gewöhnen wir uns irgendwann daran, dass wir das neue Produkt besitzen. Dazu muss nichtmal ein neues, noch besseres Produkt auf den Markt kommen. Und mit der Gewöhnung verschwindet das Glücksgefühl.
Was tun wir daraufhin? Wir suchen in der Werbung nach dem nächsten Produkt, welches das abhanden gekommene Glücksgefühl ersetzen kann und geraten so in den von Steven angesprochenen Kaufrausch.
Worauf ich hinaus will ist folgendes:
Ist dauerhaftes Glück käuflich? – Ich glaube nicht, aber ich glaube auch, dass dauerhaftes Glück für gesunde Menschen sowieso unerreichbar ist. Wäre ein Mensch dauerhaft ununterbrochen glücklich, wir würden ihn (meiner Meinung nach zurecht) versuchen zu therapieren, denn ein dauerhaft glücklicher Mensch ist eine Gefahr für sich und andere. Was jedoch m.M.n. möglich ist, ist die Phasen des Glücklichseins zu verlängern und häufiger auftreten zu lassen.
Ist kurzzeitiges Glück käuflich? Ich glaube ja, und ich kann diesen Glauben auch begründen: http://discover-neuro.de/macht-werbung-glucklich/
Ist es die Aufgabe von Werbung und wirtschaftlichen Unternehmen, glücklich zu machen? Nein. Man kann dazu stehen, wie man will, aber die Aufgabe von Werbung ist, auf Produkte und Unternehmen aufmerksam zu machen. Die Aufgabe von wirtschaftlichen Unternehmen ist in erster Linie, Profite zu erwirtschaften. „Glücklich machen“ kann dabei Teil des eigenen Anspruchs sein – muss es aber nicht.
Wer ist dann verantwortlich für unser Glück? So wie ich es sehe, wir selbst. Es ist Aufgabe der Politik die Rahmenbedingungen zu schaffen, die das ermöglichen, aber glücklich werden müssen wir selbst. Und aus genau diesem Grund bin ich ein so treuer Leser dieses Blogs: Weil er mir dabei hilft mich selbst glücklich zu machen.
Danke dafür.
Steven
Posted at 18:28h, 07 OktoberHallo Benny,
das sind wichtige und spannende Argumente.
Ich bezweifle überhaupt nicht, dass sinnliche Erfahrungen Glücksmomente hervor rufen können. Und dabei kann es sich natürlich auch um käufliche Erfahrungen handeln: ein Friseurbesuch, Nahrung, elektronischer Unterhaltung usw..
So gesehen, kann Werbung natürlich angenehme Empfindungen hervor rufen – genau das ist ja auch beabsichtigt. Die Perzeption der Werbung, der Kaufakt, und der Ge- oder Verbrauch des Konsumguts können Glück – hier im Sinne eines momentanen freudigen Gefühls – hervorrufen oder anstoßen. Und dafür lassen sich auch biochemische Messwerte als Entsprechung finden (Hormonspiegel, neuronale Aktivität, …).
Soweit trifft das alles auch auf psychoaktive Substanzen, also etwa auf Drogen, zu. Machen Drogen glücklich? Sicher, sie rufen kurzeitig ein angenehmes Empfinden hervor.
Ist dauerhaftes Glücksempfinden überhaupt möglich? Wüssten wir, was Glück ist, wenn wir das Leid nicht kennen würden?
Es geht mir überhaupt nicht darum, dass Werbung oder Konsum (von was auch immer) an sich „schlecht“ ist.
Wenn jedoch versucht wird, das ersehnte Gefühl von meinetwegen Geborgenheit fortlaufend mit beispielsweise Süssigkeiten zu substituieren, führt das tiefer ins Unglück hinein. Der empfundene Mangel wird so nur scheinbar gestillt und auf Dauer entsteht ein Gefühl des inneren Elends. Das ist der Zustand, den der massenhafte Überflusskonsum meiner Meinung nach wiederspiegelt. Ich schildere das hier ausführlicher:
https://seinswandel.wordpress.com/2013/09/28/mangeldenken/
Letztlich stimme ich Benny zu: Verantwortlich für das Glück sind wir selber.
Süchtiges Konsumverhalten – d.h. unreflektierte Substitution, also „falsche“ Befriedigung – bedeutet, sich der Verantwortung für das eigene Leben zu verweigern.
Katharina Tempel
Posted at 17:19h, 09 OktoberHallo Steven und Benny,
im Grunde habt ihr die wichtigsten Punkte zu dieser Diskussion bereits genannt.
Ich denke, zentral ist dabei vor allem der Unterschied zwischen dem Gefühl „Glück“, wie wir es biochemisch und hirnphysiologisch erfassen können, und dem, worum es dem Glücksdetektiv in erster Linie geht: einem erfüllten Leben. Kurzfristiges Glück ist nicht allzu schwer zu erreichen: man muss sich nur einen lustigen Film ansehen, Schokolade essen oder Sex haben, aber daraus ergibt sich noch lange kein zufriedenes und erfülltes Leben. Nicht einmal, wenn man diese Sachen sehr häufig macht 🙂 Werbung mag in dieser Hinsicht genauso wirken, wie die Schokolade oder auch der Kauf des Produkts. Aber wie Steven schon sagt, das eigentliche Bedürfnis nach Liebe, Anerkennung, Zugehörigkeit etc. wird dadurch nicht gestillt. So gesehen suggeriert Werbung ein falsches Bild. Aber das weiß eigentlich sowieso jeder, der sich schon mal eine Antifalten-Creme gekauft hat 🙂
Benny Briesemeister
Posted at 08:57h, 14 OktoberIch glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen 🙂
Volle Zustimmung!
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Sabrina Wolf
Posted at 10:37h, 23 AugustHallo woher hast du denn die Infos zu deinem Beitrag ich schreibe eine Seminar Arbeit über das Thema „Das Glücksversprechen in der Werbung “ und bräuchte noch etwas Material.
Hast du ein bestimmtes Buch gelesen?
Ich freu mich über eine Antwort
Liebe Grüße Sabrina 🙂
Glücksdetektiv
Posted at 17:43h, 26 AugustLiebe Sabrina,
so ganz genau weiß ich das nicht mehr. Eine Quelle war aber auf jeden Fall diese hier: https://www.gluecksdetektiv.de/the-high-price-of-materialism-von-tim-kasser/
In dem Buch geht es sehr gelungen darum, wie uns Werbung und Konsum unglücklich machen.
Viel Erfolg mit deiner Arbeit 🙂
LG, Katharina
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