Eine kleine Geschichte vom Glück
Die Positive Psychologie ist natürlich nicht die erste Disziplin, die sich mit der Frage beschäftigt, was Glück ist und wie wir es erreichen können. Die Suche nach dem Glück ist wohl so alt wie die Menschheit selbst und sie ist weder auf einen bestimmten Kulturkreis noch auf eine bestimmte Disziplin beschränkt. Es folgt ein kleiner Überblick über die Suche nach dem Glück in der westlichen Hemisphäre von der Antike bis in die Gegenwart.
Glück in der Antike
In der Antike war die Beschäftigung mit dem Glück noch fest in der Hand der Philosophen. Cicero behauptete sogar, dass „die Untersuchung des glückseligen Lebens … der einzige Gegenstand [ist], den sich die Philosophie zum Zweck und Ziel setzen muß“. Ob Demokrit, Platon oder Aristoteles: sie alle formulierten Gedanken zum Glück und waren sich trotz kleiner Unterschiede darin einig, dass Glück durch ein gutes und tugendhaftes Leben erreicht werden könne.
Aristoteles beispielsweise, auf den sich ein großer Teil der modernen Forschung zum Wohlbefinden bezieht, nahm an, dass das gute Leben durch die Erfüllung unseres Potenzials erreicht werden könne. Indem wir mit Hilfe der Vernunft unsere Tugenden und Fähigkeiten verwirklichen, führen wir ein glückliches und gelingendes Leben.
Glück im Mittelalter
Solch praktische Anleitungen zum glücklich werden fehlten während des Mittelalters gänzlich. In der westlichen Welt dominierte zu dieser Zeit die christliche Theologie und nach dieser kann wahre Glückseligkeit erst nach dem Tod erreicht werden. Demzufolge musste man in dieser Welt auch gar nicht erst nach ihr Streben. Vor diesem Hintergrund wundert es einmal weniger, warum das Mittelalter das dunkle Zeitalter genannt wird.
Glück in der Neuzeit
Wer im Geschichtsunterricht gut aufgepasst hat, weiß, dass auf das Mittelalter die Neuzeit folgte und mit ihr das Zeitalter der Entdeckungen und der Aufklärung. Und in dieser bewegenden Zeit rückte auch das Thema Glück wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit und wurde zur Parole des politischen Kampfes gegen die herrschenden Mächte. Nichts bringt das besser zum Ausdruck als die Präambel der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Jahr 1776, die da lautet:
“We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.”
bzw. in der deutschen Übersetzung:
„Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: daß alle Menschen gleich geschaffen sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; daß dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören;“
Mit der Unabhängigkeitserklärung forderten die bis dahin britischen Kolonien Nordamerikas ihr Recht ein, einen eigenen souveränen Staatenbund zu bilden. Das Streben nach Glück stellen sie dabei auf die gleiche Stufe, wie das Recht des Menschen auf Leben und Freiheit. Es ging ihnen darum, dass jedem Menschen das Recht zugesprochen wird, sein Potenzial verwirklichen zu dürfen; das nicht länger die Herkunft darüber entscheiden sollte, was ein Mensch tun oder lassen kann, sondern einzig und allein seine eigenen Fähigkeiten. Der amerikanische Traum war geboren.
Doch auch England wurde nur einige Jahre später mit politischen Forderungen nach Glück konfrontiert. Der englische Sozialreformer Jeremy Bentham setze sich u.a. nicht nur für das Frauenwahlrecht, die Abschaffung der Todesstrafe oder die Legalisierung der Homosexualität ein, er wurde insbesondere durch das folgende Zitat bekannt: „Das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl von Menschen zu erreichen soll Prinzip allen persönlichen und politischen Handelns sein.“
Glück in der Gegenwart
200 Jahre später scheint diese Forderung allmählich in den Köpfen der Politiker und Staatsoberhäupter Fuß zu fassen. So verkündete 1979 Jigme Singye Wangchuk, der frühere König von Bhutan, dass nicht länger nur das Bruttonationaleinkommen sondern das „Bruttonationalglück“ Ziel der Wirtschaftspolitik Bhutans sein solle und richtete zu diesem Zweck eigens eine eigene Staatskommission ein.
Doch nicht nur in die Politik hat der Glücksgedanke Einzug gefunden, auch in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie in der Neurobiologie wird nach und nach erkannt, welches ungenutzte Potenzial zum Wohle der Menschheit in der Beschäftigung mit dem Thema Glück liegt.
Wesentlich dazu beigetragen hat u.a. die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die bereits 1946 Gesundheit definierte als einen „… Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht bloß die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen“. Ein gesunder Mensch ist demnach ein glücklicher Mensch. Durch diese Einsicht wurden Türe und Tore geöffnet für eine neuzeitliche, moderne und wissenschaftlich fundierte Beschäftigung mit dem Thema Glück.
Und was lernen wir daraus?
In allen Zeiten haben sich die Menschen mit dem Thema Glück beschäftigt und fast immer wurde der Suche nach dem Glück die höchste Priorität eingeräumt. Die einzelnen Strömungen mögen sich in Nuancen unterschieden haben, je nachdem welche Aspekte in den Vordergrund gestellt wurden. Doch immer ging es darum, dass Wohl des Einzelnen und der Gemeinschaft zu vergrößern und Gesellschaftsstrukturen zu erschaffen, die es jedem Bürger ermöglichen glücklich zu werden.
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